Äthiopien ist pleite, kassiert UN-Hilfen – und baut einen Palast für zehn Milliarden Dollar. 17.01.2024
Lange galt das Land als Stabilitätsanker am Horn von Afrika. Nun erlebt es eine Wirtschaftskrise, Kämpfe mit Milizen und legt sich mit den Nachbarn an. Doch Premierminister Abiy Ahmed will sich ein teures Denkmal setzen. Besuch in einer bizarren Welt.
Äthiopiens engster verbündeter Golfstaat, die Vereinigten Arabischen Emirate, gilt als einer der möglichen Geldgeber dieser wenig transparenten Bauarbeiten. Der Palast wäre damit jedenfalls einer der teuersten der Welt, sein Wert entspräche Zweidrittel des jährlichen Staatsbudgets.
Doch ganz stimmt die Rechnung nicht, erzählen Bauarbeiter. Die absurd hohe Summe für das als „Chaka“ (Wald) bekannte Projekt beinhaltet auch die Entwicklung einer kleinen Satellitenstadt, zu der hochwertige Wohnkomplexe und Villen, ein Luxushotel, Konferenzsäle, drei von importierten Palmen umrahmte künstliche Seen und ein Zoo gehören sollen.
Das finanzielle Mammutprojekt wird auf den Trümmern einer gebeutelten Ökonomie errichtet, die Inflationsrate in Höhe von knapp 30 Prozent treibt die Kosten weiter nach oben. Die Regierung gibt an, dass sie etwa 20 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau nach dem Tigray-Krieg benötigt, einschließlich zwei Milliarden US-Dollar vom Internationalen Währungsfonds.
Das hochverschuldete Äthiopien hat es Mitte Dezember versäumt, einen 33-Millionen-Dollar-Anleihecoupon zu zahlen, und erklärte sich zahlungsunfähig, so wie in den vergangenen Jahren bereits Sambia und Ghana. Einher ging die Herabstufung auf „Default“ durch die Ratingagentur „S&P Global“.
Zudem hat das Land in den letzten Jahren Milliarden an humanitärer Hilfe von den Vereinten Nationen und anderen Hilfsorganisationen erhalten, während immer neue Konfliktherde aufkommen. Der Tigray-Krieg ist beendet, aber eritreische Truppen prägen weiterhin das Bild im Norden. Und in der angrenzenden Amhara-Region halten die Gefechte zwischen äthiopischer Armee und lokalen Milizen an, besonders mit den Fano-Truppen. Die Zeiten könnten wahrlich prunkvoller sein.
Doch Abiy hält das nicht von seinen Prestigeprojekten ab, die aus seiner Sicht einer Nation mit 120 Millionen Einwohnern, der zweitgrößten Bevölkerung in Afrika nach Nigeria, gebühren. Unerschütterlich hielt er am zügigen Befüllen des GERD-Staudamms am Nil fest, der bald über 5000 Megawatt generieren soll – mehr als jeder andere auf dem Kontinent.
Die Kosten betrugen über fünf Milliarden Dollar und wurden mit Zusatzsteuern finanziert, eine Kampagne hat das Projekt zum Symbol für Nationalstolz erhoben. In Addis Ababa sieht man immer wieder Aufkleber mit der Aufschrift: „Ich liebe GERD.“ Der Staudamm soll die Stromproduktion in Äthiopien verdoppeln.
Darüber hinaus irritierte der Premierminister des riesigen Binnenstaates die kleineren Nachbarländer an der Küste des Roten Meeres, als er zu Protokoll gab, einem Land wie Äthiopien stehe ein „natürliches Recht“ für einen Meereszugang zu. Vor allem in Eritrea, das sich einst unter hohen Verlusten die Unabhängigkeit von Äthiopien erkämpft hat, wurde das als imperialistische Invasionsdrohung aufgefasst. Bislang wickelt Äthiopien den Großteil seines Handels über das östliche Nachbarland Dschibuti ab.
Am Neujahrstag verkündete Äthiopien schließlich die Unterzeichnung einer Absichtserklärung mit Somaliland, der dort den Weg zu einem garantierten Zugang zum Hafen von Berbera ebnen soll. Die abtrünnige Region hatte sich im Jahr 1991 einseitig für unabhängig von Somalia erklärt, gilt aber völkerrechtlich nach wie vor als Teil des Krisenstaates. Es gilt als wahrscheinlich, dass Äthiopien als erstes Land Somalilands Regierung anerkennen wird und sich nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch militärischen Zugang zum Roten Meer erhofft.
Entsprechend wütend regierte Somalias Regierung. Man werde das somalische Territorium mit „allen rechtmäßigen Mitteln“ verteidigen, nicht „einen Zentimeter Land, Meer oder Himmel“ aufgeben. Mogadischu kündigte an, internationale Gremien wie die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und die Arabische Liga anzurufen, damit sie sich an die Seite Somalias stellen.
Wenig überraschend folgte Äthiopiens großer regionaler Rivale Ägypten diesem Aufruf prompt. Ägyptens Präsident Abdul Fattah al-Sisi betonte in einem Telefonat mit Somalias Präsident Hassan Sheikh Mohamud die „feste Position“ seines Landes, Somalias Sicherheit und Stabilität zu unterstützen. Auch die Europäische Union, die nach der kritischen Begleitung des Tigray-Krieges zuletzt an der Verbesserung der Beziehungen mit Äthiopien gearbeitet hatte, kritisierte das Abkommen mit Somaliland und forderte die Achtung der „Einheit, Souveränität und territorialen Integrität“ Somalias.
Aufmerksamkeit für Abiys Prunkbau ist inmitten dieses außen- und innenpolitischen Chaos nicht erwünscht. Soldaten blockieren Autos gleich auf den ersten Metern der neu gebauten Straße. Nur wer sich als Besucher einer alten orthodoxen Kirche ausgibt, die auf der Hälfte des steilen Wegs zum Palast ausgibt, der darf zu Fuß passieren. 45 Minuten dauert die Wanderung bis zur Kirche, danach wird die Soldatendichte zu hoch, um weiterzugehen.
Quelle: welt.de