Zum Projekt gehören drei künstliche Seen, eine Seilbahn und ein Zoo. Seine Umgebung zu verbessern, sei eine Metapher für die Verwandlung des Landes, hat der ehrgeizige Abiy einmal gesagt.
Das Projekt war eigentlich geheim, doch seine Dimensionen sind etwas zu gross, als dass das lange so bleiben konnte. Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed plant in den Hügeln oberhalb der Hauptstadt Addis Abeba einen neuen Regierungspalast auf einem Gelände von 503 Hektaren – das ist «grösser als Windsor, das Weisse Haus, der Kreml und Chinas Verbotene Stadt zusammen», wie das Magazin «Africa Confidential» schreibt. Zum Projekt gehören auch drei künstliche Seen, ein Wasserfall, eine Seilbahn, ein Zoo und Luxusvillen.
Laut Abiy wird der Palast ohne staatliche Mittel finanziert, durch Geldgeber aus dem In- und Ausland. Einen grossen Teil bezahlen vermutlich die Vereinigten Arabischen Emirate, enge Verbündete des Ministerpräsidenten.
Abiy pflanzte angeblich 18 Milliarden Bäume
Der Regierungskomplex in den Yeka-Hügeln ist das bisher ehrgeizigste Projekt eines jungen Ministerpräsidenten, der seit seinem Amtsantritt 2018 viele ehrgeizige Projekte gestartet hat. Abiy hat in Addis Abeba unter anderem mehrere Parks, Museen, Regierungsgebäude, einen Zoo, einen Kunsthandwerkmarkt und eine Bibliothek gebaut. Einem Reporter des Magazins «New Yorker», den er im vergangenen Jahr durch die Stadt führte, sagte er, er habe auch 18 Milliarden Bäume gepflanzt.
Journalisten von der britischen «Financial Times», die bei anderer Gelegenheit zu Besuch waren, beschrieben Abiys Amtssitz als «blendend weisse Luxushotel-Angelegenheit, voll mit wandfüllenden Videobildschirmen, moderner Kunst und eleganten weissen Räumen für Kabinettssitzungen und Besucherdelegationen.» Abiy sagte ihnen: «Ich will, dass diese Büros futuristisch sind. Viele Äthiopier sehen das Gestern. Ich sehe das Morgen. Dieser Ort wurde von der Hölle zum Paradies.»
An Sendungsbewusstsein hat es dem inzwischen 46-jährigen Abiy nie gefehlt. Als er Regierungschef wurde, erzählte er, seine Mutter habe ihm schon am Morgen seines ersten Schultags ins Ohr geflüstert, er sei einzigartig und werde eines Tages in den Palast einziehen.
20 Milliarden Dollar Wiederaufbaukosten
Doch dann verblasste er. Im November 2020 fing Abiy einen Krieg mit der Regionalregierung der nördlichen Provinz Tigray an. Dieser kostete in den darauffolgenden zwei Jahren Hunderttausende Menschenleben, nicht nur durch Kampfhandlungen, sondern auch durch Hunger und das Fehlen medizinischer Versorgung. Seit acht Monaten schweigen die Waffen, doch am Montag meldete die Uno, im Norden Äthiopiens seien noch immer fast neun Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.
Auch sonst steht es nicht gut um Äthiopiens Wirtschaft – die grösste in Ostafrika, die in den ersten beiden Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts oft das höchste Wachstum auf dem Kontinent aufwies. Die Währung verliert laufend an Wert, die Inflation liegt bei 35 Prozent. Die Kosten des Wiederaufbaus nach dem Tigray-Krieg könnten sich auf 20 Milliarden Dollar belaufen.
Doch das bricht Abiys Ehrgeiz nicht. Er besucht angeblich regelmässig die Baustelle des neuen Regierungspalastes in den Hügeln am Stadtrand. Das Projekt sei sein «wichtigstes Anliegen», zitierte die Zeitung «Le Monde» ein Kadermitglied von Abiys Partei.