Mehr als eine Million Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen vor ethnisch motivierter Gewalt in Äthiopiens Regionen Gedeo und West Guji geflohen. Viele von ihnen übernachten nun auf engstem Raum in Schulen, Kirchen und anderen Gebäuden, wie Lucy Murunga von der Organisation World Vision und Crystal Wells vom Internationalen Roten Kreuz (IKRK) mitteilten. Die Vertriebenen hätten wenig Nahrungsmittel und kaum angemessene Kleidung, die sie vor der Kälte schützen könne.
“Nicht auf dem Radarschirm”
“Was wir da sehen, ist unvorstellbar”, sagte Murunga. “Diese Krise ist überhaupt nicht auf dem Radar der internationalen Gemeinschaft und die Konsequenzen dieses Versäumnisses könnten entsetzlich sein”, warnte IKRK-Mitarbeiterin Shirin Hanafieh. Kinder, Frauen und Männer seien von Krankheiten wie Cholera bedroht, die beginnende Regensaison vergrößere die Infektionsgefahr.
Der seit April in Äthiopien amtierende Regierungschef Abiy Ahmed hat zwar mit dem langjährigen Rivalen Eritrea Frieden geschlossen. Doch die ethnischen Konflikte in seinem Vielvölkerstaat am Horn von Afrika konnte er bislang nicht beruhigen.
Streit über die Nutzung von Land
Mitte April begann nach Angaben der Hilfsorganisationen die jüngste Gewaltwelle im Süden Äthiopiens, im Juni eskalierte sie. Auslöser sind vor allem Spannungen über die Nutzung von Land, da die Region dicht besiedelt und die Konkurrenz um Weideland und andere Ressourcen groß ist. Der Konflikt sei durch Provokationen einzelner Menschen, von Sicherheitskräften und Regierungsvertretern ausgelöst worden, die unterschiedliche Gruppen für politische Zwecke gegeneinander ausspielen wollten, erklärte der Leiter der äthiopischen Katastrophenschutzbehörde, Mitiku Kassa.
Die instabile Lage erschwert die Arbeit der Helfer. “Viele der betroffenen Regionen sind schwer bis gar nicht erreichbar”, beklagte der Leiter der Welthungerhilfe am Horn von Afrika, Matthias Späth.
Äthiopien mit seinen 100 Millionen Einwohnern zählt trotz eines raschen Wirtschaftswachstums UN-Statistiken zufolge noch immer zu den ärmsten Ländern der Welt.
Quelle:Deutsche Welle